Wohnraum-Allianz trifft sich in Giebel
Ministerin Hoffmeister-Kraut besucht genossenschaftliches Wohnprojekt
Im Rahmen eines Spitzengesprächs der Wohnraum-Allianz Baden-Württemberg fand am 14. Oktober eine Besichtigung des genossenschaftlichen Wohnprojekts in der Mittenfeldstraße in Stuttgart-Giebel statt. Wirtschafts- und Wohnungsbauministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut machte sich mit einer Experten-Delegation ein persönliches Bild und zeigte sich beeindruckt von der laufenden Quartiersneugestaltung durch die Baugenossenschaft Neues Heim (BGNH).
Baugenossenschaften können Quartier
BGNH-Vorstand Rüdiger Maier empfing die Ministerin samt Expertenrunde zu einem einstündigen Rundgang. Auf dem Quartiersplatz mit Blick auf die neuen Langbauten und Punkthäuser sowie auf ein altes Bestandsgebäude erläuterte er das Konzept der ganzheitlichen Entwicklung. Neubau statt Sanierung und Modernisierung hatte sich bei den 60 Jahre alten Nachkriegsbauten mit Nachspeichöfen und sechs Stockwerken ohne Aufzug schnell als einzig sinnvolle Lösung herausgestellt. Die sozial verträgliche Umsetzung der Mieter gewährleistete man, indem man den ersten Neubau zwischen zwei Altbauten setzte und erst nach dessen Bezug das erste Altgebäude abriss. So ging es dann im Wechsel weiter.
Seit dem Frühjahr 2018 ist das erste Baufeld mit 157 Wohnungen fertig und bezogen, das zweite Baufeld mit weiteren 178 Wohnungen befindet sich derzeit in der Umsetzung. Guter Wohnungsstandart und effiziente Energiekonzepte sind für die Baugenossenschaft ebenso selbstverständlich, wie die frühzeitige Einbeziehung der Mieter.
„Als Genossenschaftsmitglieder sind unsere Mieter gleichzeitig Miteigentümer und haben neben lebenslangem Wohnrecht Stimmrecht in der jährlichen Mitgliederversammlung“, so Rüdiger Maier. „Um allen Mietern Wohnraum in den Neubauten anbieten zu können, haben wir zudem geförderten Wohnungen geschaffen.“
Bei der Besichtigung einer dieser Sozialwohnungen überzeugten sich die Mitglieder der Wohnraum-Allianz davon, dass die Ausstattung identisch mit der von frei vermieteten Wohnungen ist. Auch auf eine gute Durchmischung von freiem und sozialem Wohnraum in ihren Objekten legt die BGNH großen Wert. Auf Nachfrage der Ministerin erläuterte Maier die sehr moderate Mietpreispolitik der Genossenschaft, die in aller Regel deutlich unter den ortsüblichen Vergleichsmieten liegt.
Gute soziale Infrastruktur
Dass die Quartiersentwicklung der Baugenossenschaft weit über Wohnraumschaffung hinausgeht, erfuhr die Delegation beim weiteren Rundgang. Eine der beiden inklusiven Wohngemeinschaften für behinderte Menschen, welche die Diakonie Stetten in einem der Punkthäuser betreibt, wurde in Augenschein genommen. Alle WG-Bewohner lebten vorher in stationären Einrichtungen. In einem gutnachbarschaftlichen Umfeld erhalten sie hier eine individuelle Betreuung durch Fachpersonal und inzwischen auch durch einige Quartiersbewohner, die sich freiwillig ehrenamtlich engagieren. „Das ist eine immense Steigerung der Lebensqualität“, bemerkte Hoffmeister-Kraut anerkennend.
„Im zweiten Baufeld entstehen zwei ambulant betreute Pflegewohngemeinschaften“, berichtete Rüdiger Maier, „und ich kann nur bei allen Genossenschaftskollegen dafür werben, solche Konzepte in ihre Planungen aufzunehmen. Giebel zeigt, dass das wunderbar klappt. Auch bei unseren beiden laufenden Quartiersentwicklungen in Stuttgart-Rot und in Feuerbach setzen wir auf eine starke soziale Infrastruktur, die wir durch Einbindung und Zusammenwirken verschiedener Sozialpartner erreichen“.
Mit dem Besuch des ersten Pflegeappartements seiner Art endete der Rundgang durch die Mittenfeldstraße. Das von der Else-Heydlauf-Stiftung betriebene Krankenpflegezimmer hat einen direkten Zugang zur benachbarten Ärztepraxis und bietet Quartiersbewohnern so lange ambulante Pflege nach einem Krankenhausaufenthalt, bis sie in ihre eigene Wohnung zurückkehren können. Die Vertreter der Wohnraum-Allianz zeigten sich sehr beeindruckt vom durchdachten und reibungslosen Ineinandergreifen der verschiedenen Bausteine und fanden lobende Worte für die gelungene Quartiersentwicklung.
Auch ein Besuch der Pflege-WG war Teil des Rundgangs.
v.L.: Werner Fei, Leitung Else-Heydlauf-Stiftung, Rüdiger Maier, Vorstand BGNH, Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut, baden-württembergische Wirtschafts- und Wohnungsbauministerin, Tobias Wald, MdL und Dr. Iris Beuerle, Verbandsdirektorin des vbw Verband baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V.
Expertenaustausch im Gemeindehaus
Im Anschluss eröffnete die Wohnungsbauministerin im Gemeindehaus der ev. Stephanusgemeinde eine Diskussionsrunde zu brennenden Themen der Wohnungspolitik. Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut betonte die Wichtigkeit solcher Vor-Ort-Termine für die konkrete Regierungsarbeit.
Dr. Iris Beuerle, Verbandsdirektorin des vbw Verband baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V., zeigte auf, dass die 168 Wohnungsbaugenossenschaften in Baden-Württemberg – davon 19 in Stuttgart – rund 146.000 Wohnungen bewirtschaften. In Stuttgart sind es über 32.000 Wohnungen. „Die Kernkompetenz der Baugenossenschaften als Bauherren, Vermieter, Verwalter hat sich erweitert. Baugenossenschaften übernehmen immer größere Verantwortung als Gestalter von Quartieren und Städten.“
Rüdiger Maier äußerte sich erfreut über die aktuelle Förderkulisse im Land, die so gut wie lange nicht mehr sei. Dennoch gäbe es gravierende Hemmnisse beim Wohnungsbau. Zweifellos fehle es an genügenden Baugrundstücken. Wenn ein Bauareal zur Verfügung stehe, verzögerten lange Planungs- und Genehmigungsprozesse den Baubeginn. „Besonders bei größeren Bauvorhaben und längeren Quartiersentwicklungen machen diese Verzögerungen und die gleichzeitig immens steigenden Baukosten die Projekte – und damit auch eine faire Mietpreispolitik – nicht mehr kalkulierbar“, so Maier. Vertreter anderer baden-württembergischer Baugenossenschaften bestätigten diese Hemmnisse mit konkreten Beispielen aus ihrer Baupraxis.
Die Wirtschafts- und Wohnungsbauministerin bedankte sich für das Aufzeigen der Engpässe. Man werde diese Punkte in die aktive Arbeit der Wohnraum-Allianz mitnehmen. Durch die vom Land unterstützte Digitalisierung erhoffe man sich, dass sich mittelfristig die Planungs- und Genehmigungsprozesse verkürzten. Es sei das Ziel, viele Angebote zur Förderung zu machen und allen Akteuren Rat und Hilfe zu geben. Abschließend betonte Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut erneut die starke Rolle der Baugenossenschaften: „Genossenschaften stehen für Solidarität und für wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Sie sind auch für die Zukunft ein Erfolgsmodell, denn sie tragen wesentlich zu einem guten sozialen Klima in unserer Gesellschaft sowie guten Wohnstandards und intakten Städten und Gemeinden bei.“
Eindrücke und Impressionen
Weitere Informationen und Links
Berichterstattung SWR Aktuell > Baden-Württemberg:
Bürokratie, fehlende Handwerker und zu wenig bezahlbare Bauplätze verhindern, dass in Baden-Württemberg ausreichend günstige Wohnungen gebaut werden. Genau das ist aber das Ziel der Wohnraum-Allianz der Landesregierung.
Direkt zum SWR-Bericht:
https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/Wohnraumallianz,1162120-100.html